bethlehem
von denen,
die auszogen um gezählt zu werden
– gestern –
28.2.2023
Die Vergebung schließt
Die Botschaft wird in selbiger Nacht angebracht. Das Plakat verrät den Namen des neuen Projektes: Betlehem. Wir ziehen aus. Bis dahin weiß davon nur der engste Kreis. Bis zum Schluss versucht unsere Rechtsanwältin, einen Dialog mit dem neuen Hauseigentümer herzustellen. Seit dem Brand im Dezember 21 gibt es keinen Gesprächsaustausch. Die Ignoranz zwingt uns, nach den gesetzlichen Vorlagen zu handeln. Das heißt: Bis zum 31. März müssen wir die Vergebung beräumt haben.
und die Abwicklung beginnt:
Im Sommer 2010 trennt sich der Waldfrieden von meiner Person. Ein Projekt mit genauen Vorgaben geht zu Ende und viel Negatives wird mir nachgeworfen. Eine Legende ist bis heute ein fester Bestandteil des Viertels: Das unterschlagene Geld liegt vergraben unter dem Schiff im Garten (von mir erbaut, den Kindern Spielplatz).
Die Suche nach etwas Neuem beginnt, denn ich will im Viertel bleiben, es ist für mich ein Stück Heimat geworden. Verschiedene Möglichkeiten kommen in Betracht: der alte Bahnhof in Connewitz, ein Circuszelt, ein Hinterhaus. Im November 2010 ist es dann der ehemalige Blumenladen. Aufgrund der Tatsache, dass Köln den Karneval, Dirk Bach, Hella von Sinnen und RTL besitzt, werden die Verhandlungen zu einem Mietvertrag mit zwei Kölner Professoren inkl. Doktortitel erfolgreich abgeschlossen. Der Vertrag überlebt den ständigen Wellengang der Windstärke 4 bis 5 hervorragend. Doch der Eine verstirbt, der Andere verkauft. Und von da an gibt es anstatt eines Ansprechpartners nur noch Investment-Gebilde, die die Sache Mensch und kreative Projekte nach Gewinn und Profit bewerten.
Im ersten Jahr versuche ich mich im Business der Blätterwelt von Anträgen jeglicher Art zurecht zu finden. Das Arbeitsamt unterstützt mich dabei, indem es mir zweimal einen Coach zur Seite stellt. Zwei Erkenntnisse sind aus dieser Zusammenarbeit relevant: Der Eine kann dem Ordnungsamt aus gesetzlicher Sicht genau erklären, warum wir die Schankerlaubnis jetzt brauchen, obwohl wir noch nicht an den Start gegangen sind. Der Andere gibt mir folgenden Leitsatz mit auf den Kneipenweg: „Gib den Löwen – und zwar Allen – immer ein Stück vom Ganzen und sie werden dich nicht fressen.“ Heisst: Können die Rechnungen nicht bezahlt werden, zahle wenigstens einen Teil um guten Willen zu zeigen.
Ein Biervertrag kommt zustande, das erste Geld ist da, das Wichtigste kann erledigt werden: die mobile Schankanlage steht, sämtliche behördlichen Auflagen sind erfüllt und ein paar Stühle gibt es auch.
Die Vergebung. Die Erklärung des Namens verfolgt mich bis zur Schließung: Viel Böses wird mir nachgesagt beim Rauswurf aus dem Waldfrieden. Die Namensgebung für das neue Projekt liegt auf der Hand: Gasthaus Barabbas – der gemeine Dieb und Mörder, der mit Jesus auf dem Marktplatz steht und als freier Mann gehen darf – während Jesus am Kreuz endet.
Auf Bierdeckeln gedruckt steht jetzt:
Die Vergebung
Täglich ab 16 Uhr
Hinter dem Kreuz
Im Gasthaus Barabbas
Aus dieser Botschaft entsteht durch der Masse Willen die
„Vergebung“. Die Volksneugier ist geweckt, die ersten Gäste kommen mit vielen Fragen und einer vorsichtigen Solidarität.
Die darauffolgenden Jahre haben die Energie eines Umspannwerkes. Schon aus vergangenen Tagen kennen wir uns: Uta und Wollenberger. Sie geben des öfteren Konzerte, singen ihre Partisanenlieder aus dem Pariser Salon. (Politiker sind Schweine oder ab jetzt wird scharf geschossen hallt es durch die sakrale Kunst). Ein weiterer Musiker begleitet die Vergebung jahrelang mit eigenen Liedern, der Betreuung der Internetseite und mehr – sein Name: Petra. Theo der Student organisiert die Bingo-Abende, die Holländerin verzaubert mit ihrem Geigenkonzert immer wieder die Gäste. Es sind nur ein paar von vielen: Stars die keiner kennt, sind ständig da. Am wichtigsten Stammtisch, dem „ Tisch der Tränen“, vereinigen sich 634 Lebensjahre. Diese Jahre, in Connewitz gelebt, erzählen viel über das Viertel.
Im Dezember 2021 geht die Büchertauschbörse (im Anbau) in Flammen auf und mit ihr die Werkstatt, das Büro und die Lagerräume. Der Brand ist geklärt, die Ursache: ein defekter Heizstrahler. Die Versicherung bezahlt, ich zahle ein Bußgeld und bin bereit, mich um das Brandhaus zu kümmern.
Einen Monat zuvor wird das Haus wieder verkauft, diesmal nach Augsburg, die dritten Besitzer innerhalb von vier Jahren. Die Neuen sind bis zum heutigen Tage nicht bereit, ein Gespräch zu führen. Ihrer Ansicht nach bin ich ein Feuerteufel, eine Gefahr für Leib und Leben der anderen Mieter. Obwohl wir gehen, wird mit einer Räumungsklage ein Augsburger Trümmerhaufen in der Bornaischen Straße geschaffen, der seinesgleichen sucht. Jeden Sonntag zünde ich bei der Maria Gottes eine Kerze an und bitte um die Verschonung der Augsburger Puppenkiste.
Am 30. März 2023 um neun Uhr geben wir die Schlüssel ab und verlassen diesen Ort beräumt und besenrein. Was uns bei der Übergabe erwartet, ist ungewiss: wir werden berichten.
Dem Mythos, wo ich abends meine Körperlichen Reste zu Bette trage, soll an dieser Stelle Rechnung getragen werden: Hardenbergstraße 28, bei Frankello
– und das schon seit anno 2009.
– heute –
wir packen und sind erstmal unterwegs
shalom
– morgen –
Bethlehem sehen und sterben
– für Hardcore-Nostalgiker –
kunst – kultur – basar – café
04568 Grimma
Bahnhofstraße 5
Halle 24
03437 – 371888
mail@sandkoenigin.de
Geöffnet von:
Donnerstag bis Sonntag
ab 10 Uhr
– zwischendrin –
Wüstenfunk
– Fata Morganen, Prophezeihungen und steile Thesen –
28.3.2023
zwischendurch …
werde ich an dieser Stelle kurze Lebenszeichen, Infos zum Fortschritt des Bethlehem-Projektes und den Stand aller Dinge senden. Es lohnt sich also, immermal reinzusehen. Schreiben dürft ihr mir auch.
Mittwoch, 29.3.2023
Die letzten Kartons und Kisten werden verladen und noch einmal gibt es einen Blick durch alle Räume. Im Brandhaus (Anbau) wurde unter dem Brandschutt die Schnupftabakdose entdeckt.
Liebe Freiheitsbrüder zu Leipzig, wenn jemand auf die Sandkönigin trifft so melde er sich bitte auf die Barabbasmail, zwecks eines Termins zur Abholung der Dose (Hobel).
Donnerstag, 30.03.2023
9:00 Uhr
Die Räumlichkeiten der Vergebung werden übergeben – schriftlich bestätigt:
beräumt und besenrein.
Die zwei Herren, der eine ist neu in dieser Hausverwaltung, stehen etwas ratlos da. Ist das der Urzustand? Was wurde verändert oder eingebaut?
Aufgrund dessen, dass der neue Hauseigentümer in den gesamten 1,5 Jahren nicht ein Gespräch geführt hat und keine Ordnungsgemäße Kündigung in schriftlicher Form erbrachte, erwies sich das Übergabeprotokoll als äußerst schwierig und wurde auch von keiner Seite unterschrieben.
20:00 Uhr
Nachricht vom Gleisdreieck
In einer Gesamtversammlung aller Beteiligten (Gartensparten, Club, Garagenhof und Anwohner) wurde über das Projekt „Gleisanlage“ gesprochen – um einen gemeinsamen Weg zu finden. Solange dieser noch nicht gefunden ist, wurde die Frage von der Gartensparte gestellt: Könnte auf der Freifläche die Vergebung ein Zelt aufbauen, um eine Sommerkneipe zu betreiben? Der Zuspruch ist von allen Beteiligten gegeben. Das zuständige Bauamt wird nun gefragt, ob es Einwände gegen diese Idee gibt. Ich zünde am Sonntag bei der Mutter Gottes eine Kerze an!
Montag, 03.04.2023
19:30 Uhr
2 Gedanken erreichten die Sandkönigin: Könnte der Klub „Roter Stern Leipzig“ eine Gastronomie gebrauchen? Und ist die Freifläche in der Neudorfgasse eventuell zu bekommen?
Dienstag, 10.04.2023
15:00 Uhr
Ein Gespräch im Büro der Linken Partei, mit Jule und Marco. Wir haben darüber nachgedacht welche Möglichkeiten es im Kiez noch gibt, um etwas neues zu errichten. Der Besitzer eines Grundstückes in der Neudorfgasse sollte gefragt werden, ob es dort eine Möglichkeit gibt.
Mittwoch, 11.04.2023
15:00 Uhr
Mit dem Besitzer des Grundstückes wurde eine Besichtigung, in der Neudorfgasse unternommen. Bis zum nächsten Montag will der Besitzer sich entscheiden. Wenn diese Positiv ausfällt, könnte ich auf dem Gelände einen Sommerfreisitz eröffnen, Zum Herbst hin würde dann neu verhandelt werden.
Dienstag, 18.04.2023
13:00 Uhr
Leider hat sich Besitzer der Neudorfgasse noch nicht gemeldet und ist auch im Moment nicht zu erreichen. Ich bin jetzt unterwegs in die Sankt Bonifaziuskirche um für die Mutter Gottes eine Kerze anzuzünden.
Donnerstag, 27.04.2023
19:50 Uhr
Wir haben sechs Kerzen vor der Maria Gottes angezündet, um eine gute Botschaft zu hören. Dank sorgfältig geputzer Ohren vernehmen wir eine zarte Stimme, die in der Ferne von Hoffnung säuselt. Die Neudorfgasse läd vielleicht schon bald zum Trunke – jetzt müssen den Nägeln nur noch Köpfe wachsen. Die Kerzen brennen weiter.
Freitag, 19.05.2023
11:23 Uhr
Es ist der Körper und nicht der Geist, der zerfällt. Hinzu kommt der Kopf der nur noch ein völliges Unverständnis erlebt.
Die Vergebung oder das Gasthaus Barabbas sind immer noch nicht abgeschlossen. Zum einen ist es die behördliche Seite mit fehlenden Dokumenten seit fast einem Monat im Rückstand und zum anderen geht der Mietstreit mit den neuen Eigentümern in eine neue Runde. Zugestandene Mitminderrungen werden nach einem Jahr nun in Frage gestellt.
Die Umschau nach neuen Räumlichkeiten erweist sich als schwierig. Die Zeit ist heute nicht mehr begrenzt, sondern ein Begriff der unendlichen Weite. Zusagen oder Absagen dauern im jetzt, bis zu einem Monat. Hinzu kommt, dass sich der Trend durchsetzt, bei Gewerbeflächen ist die Gastronomie ausgeschlossen. Und die aktuellen Mietpreise lassen sich nicht realisieren.
Vorerst sehe ich keine Möglichkeit für einen Neuanfang!
Zunächst bleibt der Standort Bethlehem.
Freitag, 27.06.2023
11:46 Uhr
Es ist schon Juni
und dieser neigt sich auch schon dem Ende zu
Jetzt erst ist der lange Weg klar.
Im April habe ich mir das Grundstück in der Neudorfgasse angeschaut. Der Besitzer brauchte seine Zeit, um sich zu entscheiden. Erst Ende Mai kam die Zusage: im hinteren Bereich, wo verschiedene Gebäude zu einem L stehen, kann ich einen Biergarten aufbauen. Große alte Bäume lassen erahnen, dass dieses einst ein wunderschöner Park gewesen sein muss.
Mit dieser Entscheidung hatte ich nicht mehr gerechnet und in der ersten Woche einen Besuch bei Frau Mutter, im Harz, geplant. Da Sie schon etwas betagt ist, sollte immer jemand bei ihr sein. Dies ist der Bruder und den habe ich für eine Woche in den Urlaub geschickt.
In der zweiten Juniwoche habe ich dann mit dem Projekt
„ Die Vergebung jetzt auf Bethlehem“
begonnen.
Inzwischen wird der 2 Container mit jeglicher Art von Müll gefüllt. Die Fläche vom Unkraut befreit. Die ersten 3 Gebäude, die man mit Garagen vergleichen kann, sind auch schon fast beräumt.
Letztes Wochenende kamen viele Freunde, um zu helfen. Ein Gebäude hat ein marodes Dach, welches entfernt wurde. Der Zweiachshänger ist auf das Gelände gezogen worden und in Position gebracht. In der vierten Juniwoche wird das Zelt geliefert- Leider ohne Fußboden, der muss noch nachträglich angeschafft werden. Das Zelt dient zur Unterbringung des gesamten Versorgungsbereiches. ( Tresen, Kühlschränke, Speisenzubereitung ). Am Montag, in der letzten Juniwoche, kommen die Wasserwerke, um an dem Haupthaus ( die ehemalige Villa ) ein
Wasserhahn und die Wasseruhr zu installieren. Von dort aus wird ein Schlauch bis zu dem Zelt gelegt. In dieser Woche wird auch die Frage des Stromanschlusses geklärt.
Es gibt viele Menschen die helfen, dass dieser Sommergarten entsteht. In der zweiten Juliwoche soll es losgehen.